Zwei-Grad-Ziel – das klingt, als habe die Welt sich fest vorgenommen, so viele Treibhausgase wie möglich in die Luft zu pusten, damit der Erdball schnell zwei Grad wärmer wird. Genau so handeln die Industriestaaten jedenfalls bisher. Und der Plan scheint aufzugehen. Einen schönen Jahrhundertsommer hatten wir in Deutschland ja dadurch schon mal.

Aber genug des Sarkasmus. In Wahrheit ist mit dem Ziel, das 2010 auf der Klimakonferenz in Cancùn festgeschrieben wurde, natürlich das Gegenteil gemeint: Der CO2-Ausstoß muss dringend weltweit reduziert, die globale Erwärmung aufgehalten werden. Damit die Durchschnittstemperatur auf keinen Fall so stark steigt, dass sie den vorindustriellen Wert um zwei Grad Celsius übertrifft. Eigentlich wären sogar schon 1,5 Grad zu viel, warnen Klimaforscherinnen und Klimaforscher seit Langem. Und da es bereits ein Grad wärmer ist, bleibt gerade mal ein halbes Grad bis zum Ende des Jahrhunderts.

Dass zwei Grad zu viel wären, weiß man längst

Doch die Latte so tief zu legen, darauf hatten sich die Mitgliedstaaten der Weltklimakonferenz in Paris vor drei Jahren nicht einigen können. Auf solchen Konferenzen schachern nämlich Delegierte der Staaten mit all ihren regionalen und politischen Interessen um einen globalen Klimavertrag – die unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler liefern nur die Daten und ihr Fachwissen dazu.

Dort einigte man sich im Unterschied zu der Konferenz in Cancùn im Kern nur darauf, die Erwärmung müsse bis zum Jahrhundertende unter zwei Grad bleiben. Lediglich auf Druck einer Staatengruppe, die akut vom Versinken durch steigende Meeresspiegel bedroht ist, wurde auf der Klimakonferenz 2015 im letzten Moment ein kurzer, aber extrem wichtiger Passus ins Parisprotokoll aufgenommen: Es müssten "Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen". Ein guter Vorsatz, keine Pflicht. Aber immerhin. Dass zwei Grad eine zu hoch gesteckte Grenze sind, um verheerende Klimafolgen zu verhindern – man wusste es damals schon. Bei zwei Grad Erderwärmung "würden wir unter Wasser stehen", sagte Anote Tong, damals Präsident des Inselstaates Kiribati. "Der höchste Punkt unserer Hauptinsel Tarawa erreicht kaum drei Meter. In Kombination mit dem Meeresspiegelanstieg könnte eine einzige Flutwelle den Lebensraum vernichten."

Die Chance, dass wir's nicht schaffen, liegt bei 66 Prozent

Inselstaaten wie Kiribati stimmten dem Vertrag von Paris nur unter der Bedingung zu, dass der Weltklimarat IPCC einen Sonderbericht als Grundlage für die globale Klimapolitik verfasst, der beschreibt, wie es in einer Welt aussähe, die um 1,5 Grad wärmer wäre als in der Zeit, bevor Fabrik- und Autoabgase, Treibhausgase aus der Massentierhaltung, der Flugverkehr und andere Emissionsquellen das Klima aufheizten. Um jedes Wort dieses Mammutschriftstücks haben die Delegierten der 195 Mitgliedsstaaten vergangene Woche im südkoreanischen Incheon gerungen. Am Montag werden sie das Ergebnis der Öffentlichkeit vorstellen: den IPCC-Sonderbericht 1,5 Grad (Special Report on 1.5 Degrees, kurz SR1.5).

Was drinstehen wird, ist bereits ziemlich klar. Nur wie scharf und verbindlich die Formulierungen sein werden, auf die die Staaten sich festlegen lassen, das bleibt wie immer spannend bis zum Schluss.

So oder so wird der Bericht deutlich machen: Bereits wenn sich der Globus auch nur um durchschnittlich 1,5 Grad Celsius erwärmt, werden in Teilen der Erde unaufhaltsame Klimaveränderungen in Gang gesetzt. Das Klima könnte kippen. Die Erderwärmung würde ungebremst weitergehen – und sich sogar noch von selbst verstärken. Und das heißt: Wenn die Treibhausgasemissionen weltweit nicht sofort reduziert werden – und zwar drastisch –, wird der Klimawandel nicht mehr nur nicht aufzuhalten sein. Es ist dann nicht mehr rückgängig zu machen.

"Niemand kann sagen, er habe nichts gewusst"

Ob die Delegierten sich nur auf eine weichgespülte Fassung oder auf verbindliche Verpflichtungen geeinigt haben, werden wir erst am Montag wissen. Dann wird die sogenannte Summary for Policymakers vorgestellt. Schon jetzt schreiben Fachleute dem Bericht aber große Bedeutung zu: "Durch ihre Zustimmung erkennen 195 Regierungen den wissenschaftlichen Sachstand an", sagte Christiane Textor, Leiterin der deutschen IPCC-Koordinierungsstelle. Somit könne später niemand sagen, er habe es nicht gewusst.

Nicht weniger als 91 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben seit August 2016 an dem Bericht gearbeitet, der der politischen Zusammenfassung zugrunde liegt. Sie haben dabei drei Review-Runden durchlaufen und 42.001 Kommentare abgearbeitet. Und etwas Ernüchterndes berechnet: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent liege es "jenseits des Erreichbaren", die Erwärmung um mehr als 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit bis zum Jahr 2100 noch zu verhindern. Die aktuelle Politik der UN-Staaten, die Emissionspfade der vergangenen Jahre und die Investitionen vor allem im Energiesektor machten die Einhaltung praktisch unmöglich.