Eine Kopie des Nagelkreuzes von Coventry, geschmiedet aus Dachbodennägeln der zerstörten Kathedrale in der St. Andreaskirche in Weißenburg.
Bildrechte: BR24/Ulrike Lefherz

Eine Kopie des Nagelkreuzes von Coventry, geschmiedet aus Dachbodennägeln der zerstörten Kathedrale in der St. Andreaskirche in Weißenburg.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Friedenszeichen aus zerbombter Kirche: Gebetsaktion in Franken

Als im Zweiten Weltkrieg eine Kirche in England zerbombt wird, entstehen aus übriggebliebenen Nägeln des Dachstuhls hunderte Kreuze. Auch in Weißenburg steht ein solches Friedenszeichen. In den nächsten Tagen wollen Menschen zum Gebet zusammenkommen.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Jeden Freitagmittag um 12 Uhr kommt eine kleine Gruppe an einem Seitenaltar der Weißenburger St. Andreaskirche zusammen. Seit anderthalb Jahren erinnern sie jede Woche daran, dass Frieden nicht von selbst entsteht, sondern erkämpft werden will, durch Menschen, die mit ihrem Engagement den Unterschied machen. Die kleine Gemeinschaft um die Weißenburger Dekanin Ingrid Gottwald-Weber hat sich der sogenannten Nagelkreuzgemeinschaft angeschlossen.

Frieden im Zeichen des Nagelkreuzes

Wie hier in Weißenburg treffen sich zeitgleich Menschen in der Nürnberger Sebalduskirche, in Neuendettelsau und in der Marienkapelle Würzburg. 75 Nagelkreuzgemeinschaften sind es in Deutschland, rund 200 weltweit. Alle beten den gleichen Text – formuliert in den Trümmern einer Kathedrale im englischen Coventry. Deutsche Bomber hatten sie im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Reaktion des Geistlichen am Tag danach ging in die Geschichte ein. Er soll mit einem verkohlten Stück Holz die Worte "Father forgive" an die stehen gebliebene Wand des Altarraums geschrieben haben.

Versöhnungsgebet von Coventry

Die Kathedrale wurde nicht neu aufgebaut. Die Außenmauern blieben als Mahnmal stehen, ein neues Gotteshaus wurde daneben errichtet. Aus hunderten übriggebliebenen Nägeln des verbrannten Dachstuhls wurden Kreuze geschaffen, als Friedenszeichen. Eine Kopie steht auch in Weißenburg. Der Text des gemeinsamen Friedensgebetes ist erstaunlich aktuell. Es ist die Bitte um Vergebung für Besitzgier, für Neid auf das Wohlergehen und Glück der anderen. Oder für die mangelnde Teilnahme an der Not von Gefangen, Heimatlosen und Flüchtlingen. Im Jahr 1958 wurde dieser Text formuliert, er fasst Kriegsgründe und das Leid der Kriegsfolgen zusammen. "Der Charme dieser Bewegung ist für mich, dass sie auf Schuldzuweisungen völlig verzichtet", sagt Helmut Erdmannsdörfer. Er ist einer der Aktiven der Weißenburger Nagelkreuzgemeinschaft. Jeder beginne mit dem Vergeben bei sich selbst, sagt er.

Frieden als Handwerk, dass man lernen kann

Jedes Jahr vor dem Buß- und Bettag beschäftigen sich die Kirchen in Deutschland zehn Tage lang mit dem Thema Frieden. Der bayernweite Festgottesdienst zum Auftakt findet in diesem Jahr in der evangelischen Kirche St. Andreas in Weißenburg statt (Sonntag, 12. November, 10.00 Uhr). Bei Veranstaltungen in den Tagen danach geht es um Konflikt-Kommunikation, Hintergründe des Ukraine-Kriegs, die Nagelkreuzgemeinschaft. "Frieden ist ein Handwerk, das man lernen kann", betont Weißenburgs Dekanin Ingrid Gottwald-Weber. "Das ist zwar manchmal mühsam, aber möglich". Zahlreiche Forschende hätten sich mit Techniken zur Konfliktbearbeitung beschäftigt. Angeboten wird unter anderem ein Workshop für gewaltfreie Kommunikation. "Wenn man diese Wortwahl anwendet, kann man merken, wie die Eskalationsstufe nach unten geht", so Gottwald-Weber.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!